Khejri-Verein Bremen, e.V. Hamburgerstraße 97
23205 Bremen
02.12.02
email hjansen@fbawg.hs-bremen.de

Liebe Freunde und Förderer des Khejri-Projektes,

Soeben bin ich aus Jagatpura zurück und will kurz berichten über meine Eindrücke und Erfahrungen vor Ort.

Der Sommer war heiß und lang in Rajasthan. Immer wieder waren die Temperatur über die magische Marke von 50 Grad Celsius (im Schatten !) geklettert. Der Monsoon-Regen, in Jagatpura stets sehnsüchtig erwartet, war dürftig und brachte nur wenig Abkühlung und Linderung. Die Spuren der Dürre sind auch heute noch - im Spätherbst des Jahres 2002 – zu besichtigen. Rajasthan ist wieder ein wenig "brauner" geworden. Die jungen Bäume, die wir im letzten Jahr gesetzt hatten, sind verdorrt. Auch Blumen haben die Hitze nicht überstanden. Offensichtlich holt sich die Wüste einen Teil dessen, das ihr in den vergangenen Jahren mit mühsamen Bewässerungsmaßnahmen abgetrotzt worden ist, unerbittlich zurück. („Global Warming"?)

Indessen: die Khejri Clinic hat auch diesen Sommer unbeschadet überdauert und auch unter den extremen Bedingungen stets als verlässliche Anlaufstation für die Kranken und Ausgemergelten aus der Region gedient. Die Krankheiten werden ja nicht etwa geringer in extremer Hitze: Zu den üblichen Krankheitsbildern – Magen- und Darmerkrankungen, Hautkrankheiten, Verletzungen u.a.m. – gesellen sich Kreislaufbeschwerden, extreme Müdigkeit, vor allem aber Augenkrankheiten, die durch die staubtrockene Luft und den umherfliegenden Schmutz bedingt werden.

Keiner unserer Ärzte, keine unserer Krankenschwestern hat in den Sommermonaten „schlapp" gemacht oder „hitzefrei" gefordert. Die Clinic war das ganze abgelaufene Jahr hindurch stets von Montagmorgen bis Samstagabend geöffnet. Ja, selbst am Sonntagmorgen herrscht dort – wie ich mich selbst überzeugen konnte - meist Hochbetrieb. In dieser Zeit erscheint unser Augenarzt, der in der Woche eine eigene Praxis betreibt, an seinem „freien Sonntag" aber die Patienten und Patientinnen der Khejri Clinic betreut.

Die Zahl der täglich behandelten Kranken liegt inzwischen durchschnittlich bei etwas über 90 pro Tag – eine stattliche Zahl und ein wesentlicher Arbeitsaufwand, wenn man bedenkt, dass die Patienten nicht nur diagnostiziert und therapiert werden müssen, sondern dass in vielen Fällen auch noch Laboruntersuchungen (ebenfalls in der Khejri Clinic) durchgeführt werden und der Aufenthalt in der Praxis oft für längere Gespräche über Gesundheitsfürsorge, Hygiene, Kinder- und Säuglingspflege und die Grundprinzipien gesunder Ernährung genutzt werden muss. Überhaupt: Ohne „Health Education" läuft wenig. Es fehlt immer wieder an elementarem Wissen zur Prävention von Krankheiten, über die Grundfragen der Ernährung, die Methoden der „Familienplanung". Um den Problemen nicht ständig hinterherzulaufen, um nicht bloß „Reparatur" betreiben zu müssen, setzt die Khejri Clinic verstärkt auf „Aufklärung". Video-Programme sind in Indien durchaus vorhanden. Einen professionellen „Health Educator" beschäftigen wir ebenfalls. Es geht nunmehr darum, entsprechende Strategien zu entwickeln. Dieses war einer der wesentlichsten Diskussionspunkte im Rahmen des „Khejri Trust" bei meinem diesjährigen Aufenthalt überhaupt.

Unser „Staff" besteht inzwischen aus nicht weniger als 15 Personen, die allesamt auf der Gehaltsliste der Khejri Clinic stehen, nämlich aus:

Inzwischen sind alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund der gemeinsamen Aufgabe quasi zu einer „Großfamilie" zusammengeschmolzen und haben eine Art „corporate identity" entwickelt. Erstaunlich und erfreulich: Die Freundlichkeit und Gelassenheit, die dem Besucher aus Europa auf dem Campus begegnet. Wer Indien kennt (u.a. Spannungen zwischen Moslems und Hindus und - innerhalb der Hindus - wiederum zwischen den verschiedenen Kasten und Subkasten), wer andernorts offene Feindseligkeiten und Gewalt zwischen den verschiedenen Communities erlebt hat, ist berührt von der Atmosphäre des Friedens, die sich in der Clinic und um die Clinic verbreitet.

Dennoch: Es gibt auch Probleme, die kurz angesprochen werden müssen. Aufgrund der anhaltenden Sommerdürre sank wieder einmal der Grundwasserpegel. Als Folge lief unsere Wasserpumpe leer, wurde heiß und der Elektromotor brannte durch. Tagelang sah man die „Khejri-Leute" mit Wassereimern und Kübeln von Unnithans Wohnung, wo eine eigene Bohrung besteht, in Richtung Clinic ziehen. In jedem Dorf wäre der Ausfall der Pumpe eine Katastrophe gewesen. Zum Glück besaßen wir – aufgrund der Spenden unserer Mitglieder - genügend finanzielle Reserven, um sogleich eine neue Bohrung zu veranlassen und den durchgeschmorten Motor reparieren zu lassen.

Die hirnrissigen Pläne der Landes-Regierung, den nunmehr 12 Fuß breiten Weg (ca. 4 m) vor der Praxis durch eine 200 Fuß breite autobahnähnliche Straße mit 4 Spuren, Mittelstreifen und Seitenstreifen zu ersetzen, sind noch immer nicht vom Tisch. (Vermutlich fließen reichliche Projektmittel von der World Bank , auf alle Fälle ist Rajasthan aber im Vorwahlkampf und es müssen sichtbare Erfolge her!). Der Highway würde nicht nur den Bestand des Klinik-Gebäudes gefährden, sondern auch den lauten, unfallträchtigen und stinkenden indischen LKW-Verkehr durch dichtbesiedelte Dörfer leiten. Man kann Prof. Unnithan für seinen Mut und seinen Einsatz nur bewundern, mit denen er gegen diese gigantomane Planung zu Felde zieht: es wurden u.a. Unterschriften gesammelt, Bürgerinitiativen gegründet, Protestversammlungen organisiert, Termine mit Stadtplanern und Ministern wahrgenommen. Wir hoffen inständig, dass dieses Engagement etwas nützt, zumal die Trasse planungstechnisch überflüssig und sinnlos erscheint. (Sinnvoller wäre die Planung einer Ringstraße, für die es durchaus günstige Voraussetzungen gäbe). Falls die Katastrophe aber dennoch ihren Lauf nehmen sollte, müssten wir gegebenenfalls auf das verständnisvolle Angebot unseres Nachbarn John Singh zurückkommen, der uns für diesen Fall für einen symbolischen Mietpreis ein größeres Gebäude zur Verfügung stellen würde.

Als Retter in der Not könnte sich ggf. auch unsere mobile clinic („Klinomobil") erweisen, die wir z.Zt. in „Handarbeit" auf dem Chassis eines TaTa-LKW erstellen lassen. Ich hatte verschiedentlich Gelegenheit, den Fortgang der Arbeiten zu begutachten. Inzwischen ist das Gefährt „aufgeplankt", d.h. Seitenwände und Dach stehen, es geht bereits an den Innenausbau. Wir gehen davon aus, dass das Vehicle bereits im März des kommenden Jahres, wenn Marianne und ich wieder in Jagatpura sein werden, seinen Betrieb aufnehmen und dann auch die Dörfer an der Peripherie unseres Einzugsgebietes erreichen kann, deren Bewohner mangels einschlägiger Verkehrsmittel nach wie vor Schwierigkeiten haben, die Khejri Clinic zu erreichen. Für den „worst case" müsste die mobile clinic für eine Übergangszeit auch die Versorgung der näheren Umgebung übernehmen. Auf alle Fälle ist mit ihr die Kontinuität der Arbeit gewährleistet.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen im Namen der vielen Patienten und Patientinnen in und um Jagatpura, im Namen des Health Centre und der dortigen Mitarbeiter aber auch im Namen des Khejri Vereins Bremen e.V. noch einmal sehr herzlichen Dank sagen für die Spenden, die sie dem Projekt haben zukommen lassen. Ohne diese Spenden gäbe es die Praxis in Jagatpura nicht, ohne diese gäbe es auch keine einschlägige medizinische Versorgung in den 12 Dörfern, die nunmehr von uns betreut werden. Ihre Spende bedeutet ein wenig Hoffnung insbesondere für diejenigen, die sonst wenig vom Leben zu erwarten haben.

Ich wünsche Ihnen und Ihrer Familie ein frohes Weihnachtsfest verbunden mit den besten Wünschen für ein Gutes und Gesegnetes Neues Jahr.

Hans G. Jansen


PS (1) Durch die Umstellung auf Euros sind z.T. recht ungerade Beträge entstanden. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie Ihren Dauerauftrag einmal überprüfen und gegebenenfalls entsprechend aufrunden würden.
PS (2) Falls Sie eine E-Mail-Adresse haben, bitte ich um Mitteilung. Um weiterhin Kosten zu sparen, werde ich – wo möglich – meine Korrespondenz künftig per E-Mail erledigen