Liebe Khejri Freunde!
Die Zeit vergeht wie im Fluge! Wieder ist ein Jahr vergangen,
und natürlich sollen Sie einen Bericht über das Khejri Projekt haben.
Wir sind weiterhin sehr aktiv und haben in diesem Jahr bis zum 30.November
19398 Patienten in der Clinic gehabt. Das Krankheitsspektrum hat sich nicht
verändert, weiterhin haben wir mit allen Arten von Infektionen zu tun, mit
Tuberkulose und Mangelkrankheiten. Und weiterhin behandeln wir die Patienten
mit allem, was uns hier zur Verfügung steht. Unser Medikamentenbudget ist
stark angeschwollen, obwohl wir die meisten Medikamente im Großhandel
beziehen. Indien nimmt die Bestimmungen über den Patentschutz nicht so
genau, für uns eine positive, weil geldsparende Erscheinung. Auch geben
wir alle Medikamente nur in abgezählten Quantitäten für wenige
Tage ab. Es passiert aber gar nicht so selten, dass ein Patient
zurückkommt und alle Pillen an einem Tage genommen hat. Medikamentöse
Therapie ist hier stets eine Gratwanderung: einmal haben die Patienten lange
Wege zurückzulegen, so dass wir sie auch nicht zu oft bestellen
möchten, zum anderen besteht die Gefahr der Fehleinnahme hochwirksamer
Medikamente.
Auch unsere einzelnen Programme laufen weiter. Im school health programme
haben wir Schulen, deren Absolventen im Jahresrhythmus von uns untersucht
werden. Alle akuten Erkrankungen werden sofort behandelt, für länger
dauernde Therapien nehmen wir über die Lehrer Kontakt mit den Eltern auf.
Seit Oktober 2001 steht uns eine erfahrene Kinderärztin, Dr. Raziya Pendse
zur Verfügung, die neben anderer ärztlicher Tätigkeit
mit einer Engelsgeduld versucht, heranwachsende Mädchen
aufzuklären oder auch jungen Müttern zu vermitteln, dass Muttermilch
nicht die ausschließliche Ernährung für ein zweijähriges
Kind sein kann.
Richtige und ausreichende Ernährung ist auch ein Thema für unseren
health worker, Lohit Joshi. Mit den Kindern der Klassen 8 bis 10 geht er diese
Fragen durch, weist auf kulturell bedingte Ernährungsprobleme und deren
Folgen hin, zeigt Auswege auf. Die meisten Inder sind Vegetarier, müssen
daher ihren Eisenbedarf mit grünem Gemüse, ihren Proteinbedarf mit
Hülsenfrüchten und Milchprodukten decken. Beides wird in vielen
Haushalten nicht ausreichend berücksichtigt, entweder aus Mangel an Wissen
oder Mangel an Geld. Es ist nicht selten, dass Schulkinder am Tage nur zwei
rotis (Fladenbrot), Tomaten, Zwiebeln und
chili(Pfefferschoten) essen. Tee trinken sie reichlich,(dieser
behindert auch noch die Resorption von Eisen!), Milch steht nicht immer zur
Verfügung. Das erklärt auch, warum zwölfjährige 145 cm
groß und nur 28 kg schwer sind. All den unterernährten Kindern
bieten wir eine Zusatznahrung (hergestellt aus Zuckermelasse, Erdnüssen,
Sojamehl, Reismehl und Kichererbsenmehl )an, 300 g pro Woche, für die
Dauer von drei Monaten. Zur Zeit untersucht eine Doktorantin der University of
Rajasthan, ob wir damit etwas erreichen können. Wir sind jedoch nicht
immer sicher, dass die Kinder diese Zugabe auch selbst essen und nicht mit dem
Rest der Familie teilen. Übrigens lassen wir diese
Müsliriegel von behinderten jungen Leuten anfertigen, die auf
diese Weise sinnvoll beschäftigt werden. Die Rohmasse wird natürlich
vorgegeben. So erreichen wir eine Vernetzung von Hilfsprojekten hier vor Ort.
Tuberkulosekranke werden von uns auch weiter betreut. Nachdem die drop-out Rate besonders für weiter entfernt wohnende Patienten sehr hoch war, haben wir den Aktionsradius für die DOTS Behandlung (directly observed treatment) der TBC beschränkt. Zur Erinnerung: die Patienten müssen drei Monate lang dreimal pro Woche in die clinic kommen, später einmal pro Woche. Das ist eine erhebliche Belastung. Zudem ist die Behandlung sehr kostspielig. Eine Ausfallrate von über 50% ist weder für die Patienten noch für unsere Finanzen tragbar. Dennoch: Patienten, die offen tuberkulös sind und sich nicht einer Behandlung unterziehen, werden von uns immer wieder aufgesucht. Lohit versucht, sie für eine Behandlung zu motivieren und falls sie das ablehnen- sie zumindest mit Vorsichtsmassnahmen vertraut zu machen, die eine Ansteckung der Familie verhindern. Eine gesetzliche Melde- oder Behandlungspflicht gibt es nicht.
Immer wieder gibt es Einzelschicksale, die uns besonders berühren. Ich
hatte im Frühjahr schon in den
DOM Nachrichten über Kanta
berichtet,
ein achtjähriges fast blindes Mädchen mit angeborenem Katarakt auf
beiden Augen. Inzwischen hat Dr.Bhargava beide Augen operiert, Kanta wird noch
weiter behandelt, kann aber wieder sehen. Der Vater muss allerdings sein
Versprechen, sie nun in die Schule zu schicken, noch einlösen.
Erschüttert hat uns Reshmas Schicksal. Das kleine Mädchen ist
eineinhalb Jahre alt und wiegt vier Kilogramm. Die Mutter säugt sie noch.
Sie bringt das Kind zu uns, betroffen über das greisenhafte, ausgezehrte
Aussehen dieses Kindes. Gleichzeitig fällt aber auf, dass sie eigentlich
nicht besorgt ist, auch nicht bereit, etwas zu tun, sich einzusetzen. Nach
längerem Befragen enthüllt sich die ganze Tragik: diese Frau hat
sechs Töchter, keinen Sohn. Die Familie des Mannes, in der die Frau leben
muss, macht sie für dieses Missgeschick verantwortlich,
bedeutet doch die Geburt eines Sohnes nach wie vor alles für die Familie,
Mädchen verursachen nur Kosten. Reshmas Mutter kann dem Druck kaum
noch standhalten, das Schicksal ihres jüngsten Kindes scheint ihr
gleichgültig zu sein. Zermürbt von der Missachtung, die ihr
entgegenschlägt, vernachlässigt sie ihr Kind, will es aber auch nicht
zur Adoption oder in ein Heim geben. Ein solcher Gedankengang ist den Menschen
hier fremd. Staatliche Stellen, die wir einschalten könnten, gibt es
nicht. Wir können nur auf die Mutter einreden, ihr Zusatznahrung zur
Verfügung stellen, ihr bei der Betreuung zur Seite stehen, sie menschlich
unterstützen und stärken.
Auch Nadim können wir nicht helfen. Er ist taubstumm, wirkt mit seinen 10
Jahren aber ganz aufgeweckt. Der Mutter habe ich angeboten, die Kosten für
eine Spezialschule in Jaipur zu übernehmen, die diese Kinder unterrichtet.
Die Familie ist aber nicht bereit oder nicht in der Lage, den täglichen
Transport des Kindes nach Jaipur (ca.30 km) sicherzustellen. Sie hat den
Kontakt zu uns abgebrochen.
Dagegen ist Salman,4, der Sonnenschein der clinic geworden. Seine schwere
Neurodermitis, über den gesamten Körper ausgebreitet, hatte zu
Hautdefekten und Wunden geführt. Eine Superinfektion war hinzugekommen,
alles war eitrig belegt. Mit täglichen Verbänden und entsprechender
Medikation rückten wir dem Problem zuleibe, Salman kann jetzt wieder
lachen und herumrennen. Die Verletzungen sind verheilt, mit Oelanwendungen
versucht die Mutter den gegenwärtigen Hautzustand zu erhalten.
Zwischenzeitlich stellen wir ihr immer wieder eine Tube Salbe zur
Verfügung, das Kokosoel kann sie selbst kaufen. Gerade für dieses
Kind war ein großer Aufwand erforderlich und der wurde wie immer
bei uns von Sreeja geleistet, unserer Krankenschwester. Ich möchte
sie hier besonders erwähnen. Sie beklagt sie nie, keine Arbeit ist zu
schmutzig, zu unangenehm oder lästig. Worum man sie auch bittet: sie sagt
nie nein und hat stets ein Lächeln für Patienten und Doktoren. Ohne
Sie wäre die clinic um einiges ärmer!
Unsere Bremer Khejri-Freunde wurden durch den
Bericht von Tina Haase und Maik Szymanski im Weser-Kurier
gut informiert, viele von Ihnen haben sicherlich auch
den Film über uns im Phoenix Kanal und im ARD gesehen. So können Sie
sich konkret vorstellen, worüber ich sonst nur in Worten berichten kann.
Der
ARD-Korrespondent in New Delhi, Herr Osterhage,
war so freundlich, aus
seinem Material noch einen zehnminütigen Werbefilm für
uns zusammenzustellen. Wenn Sie also irgendeine Organisation wissen, die einen
Adressaten für Spenden sucht, bin ich gern bereit, dort einen kurzen
Vortrag zu halten, auch mit Film. Erst neulich haben Freunde von uns ihr
Geburtstags- und Geschäftsjubiläum mit ein wenig Werbung für
unser Projekt verknüpft und dazu benutzt, für uns zu sammeln. Und
wenn dabei mehrere Hunderter zusammenkommen, sind wir glücklich und
dankbar. Genauso dankbar sind wir all unseren großen und kleinen
Spendern, die durch ihre regelmäßigen Gaben unsere clinic
aufrechterhalten. Die oben genannten Patientenzahlen beweisen die Notwendigkeit.
Wahrscheinlich wegen der diversen Presse- und Fernsehberichte hatte ich auch in Jagatpura selbst in diesem Jahr mehrere Besucher, die ihr touristisches Programm mit einem Eindruck des anderen Indien ergänzen wollten. Sie sind mir stets willkommen! Rufen Sie mich vorher an, damit wir einen Termin ausmachen können. Ich hoffe, dass die politische Lage das Reisen und unsere Arbeit hier nicht unmöglich macht.
Unsere Patienten sind allerdings mehr mit der Sorge um das tägliche Brot
beschäftigt, mit dem Versuch, trotz widriger Unstände für ihre
Familie zu sorgen, die Kinder gesund zu erhalten.
Wir versuchen zu helfen und bitten daher immer wieder um Ihren Beitrag. Danke
für alles, was bis jetzt eingegangen ist. Wir verwenden (immer noch) alles
Geld bis auf die Bankspesen für das Projekt!
Bitte denken Sie daran, Ihre Daueraufträge auf Euro umzustellen , -
vielleicht ist das ja auch eine günstige Gelegenheit, den Betrag zu
überdenken....
Die Spendenbescheinigungen für das Jahr 2001 werden zu Beginn des neues
Jahres von unserem Kassenwart ausgestellt und Ihnen dann zugesandt.
Ihnen allen frohe Weihnachtstage und die besten Wünsche für das Neue Jahr.
Khejri Verein, Hamburgerstraße 97, 28205 Bremen
Konto 760, Bankhaus Plump BLZ 290 304 00